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19. Dezember 2023

Mein Gott! Ein Lärm, ein Dröhnen, ein Leuchten; zu beiden Seiten ragten vierstöckige Mauern; das Stampfen der Hufe und das Dröhnen der Räder hallte an vier Seiten wider; die Häuser schienen auf Schritt und Tritt zu wachsen und aus der Erde emporzusteigen; die Brücken zitterten; die Kutschen flogen; die Kutscher und die Vorreiter schrien; der Schnee knirschte unter den Tausenden der von allen Seiten fliegenden Schlitten; die Fußgänger drängten sich längs der mit Lämpchen übersäten Häuser, und ihre riesigen Schatten huschten über die Mauern und erreichten mit den Köpfen die Schornsteine und die Dächer.

Der Schmied sah sich erstaunt nach allen Seiten um. Es war ihm, als hätten alle diese Häuser auf ihn ihre zahllosen Feueraugen gerichtet und schauten ihn an. Er sah so viel Herren in mit Tuch gedeckten Pelzen, daß er gar nicht mehr wußte, vor wem er die Mütze ziehen sollte. – Mein Gott, wieviel Herrschaften es hier gibt! – dachte sich der Schmied. – Ich glaube, jeder, der hier in einem Pelze über die Straße geht, ist ein Assessor! Und die, die in diesen herrlichen Wagen mit den Glasscheiben herumfahren, sind, wenn nicht Stadthauptleute, so doch sicher Kommissäre und vielleicht noch mehr. – Seine Gedanken wurden durch eine Frage des Teufels unterbrochen: »Soll ich direkt zur Zarin laufen?« – Nein, ich fürchte mich –, dachte sich der Schmied. »Hier sind irgendwo, ich weiß nicht wo, die Saporoger abgestiegen, die im Herbst durch Dikanjka kamen. Sie fuhren aus der Ssjetsch mit Papieren zu der Zarin; mit ihnen sollte ich mich eigentlich beraten. He, Satan! Kriech mir mal in die Tasche und führe mich zu den Saporogern!«

Der Teufel magerte in einem Augenblick ab und wurde so klein, daß er dem Schmied ohne Mühe in die Tasche kriechen konnte. Und ehe sich Wakula umsah, stand er schon vor einem großen Hause, stieg die Treppe hinauf, öffnete eine Tür und taumelte ein wenig zurück, als er vor sich ein prächtig geschmücktes Zimmer erblickte; aber er faßte Mut, als er die gleichen Saporoger erkannte, die durch Dikanjka gekommen waren und jetzt mit ihren geteerten Stiefeln auf seidenen Sofas saßen und den stärksten Tabak rauchten, den man Stengeltabak nennt.

»Grüß Gott, meine Herren! Helf euch Gott, so sehen wir uns wieder!« sagte der Schmied, näher herantretend und sich bis zur Erde verbeugend.

»Was ist das für ein Mann?« fragte einer, der dicht vor dem Schmied saß, einen anderen, der etwas weiter saß.

»Habt ihr mich denn nicht erkannt?« sagte der Schmied. »Ich bin es, der Schmied Wakula! Als ihr im Herbst durch Dikanjka kamt, wart ihr, Gott gebe euch jegliche Gesundheit und ein langes Leben, fast zwei Tage bei mir zu Gast. Ich habe euch damals das vordere Rad eures Wagens mit einem neuen Reifen beschlagen!«

»Aha!« sagte der gleiche Saporoger. »Es ist derselbe Schmied, der so fein malt. Guten Abend, Landsmann! Was hat dich Gott hergebracht?«

»Nun, ich wollte mir anschauen . . . man sagt . . .«

»Nun, Landsmann«, sagte der Saporoger, eine stolze Miene annehmend; er wollte zeigen, daß er auch Russisch zu sprechen verstand. »Eine große Stadt, nicht wahr?«

Der Schmied wollte sich nicht blamieren und als Neuling erscheinen; außerdem verstand auch er, wie wir es schon oben sahen, gebildet zu sprechen. »Eine respektable Gouvernementsstadt!« antwortete er gleichgültig. »Das muß ich sagen: die Häuser sind mächtig, und bedeutende Gemälde hängen darin. Viele Häuser sind mit Lettern aus Blattgold außerordentlich fein bemalt. Das muß man zugeben, eine wunderbare Proportion!«

Als die Saporoger hörten, wie frei sich der Schmied ausdrückte, gewannen sie von ihm einen für ihn sehr günstigen Eindruck. »Später wollen wir mit dir mehr reden, Landsmann. Jetzt müssen wir aber gleich zur Zarin.«

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Tétouan – die weiße Taube, Marokko

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