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21. Dezember 2023

Die Saporoger verneigten sich vor ihm bis zur Erde.

»Seid ihr alle hier?« fragte er gedehnt und ein wenig durch die Nase.

»Ja, alle, Väterchen!« antworteten die Saporoger und verbeugten sich wieder.

»Vergeßt nicht, so zu reden, wie ich es euch gelehrt habe!«

»Nein, Väterchen, wir vergessen es nicht.«

»Ist das der Zar?« fragte der Schmied einen der Saporoger.

»Ach was, Zar! Es ist Potjomkin«, antwortete jener.

Im Nebenzimmer ließen sich Stimmen vernehmen, und der Schmied wußte nicht, wohin er seine Augen wenden sollte: eine solche Menge von Damen in Atlaskleidern mit langen Schleppen und von Höflingen in goldgestickten Röcken mit Zöpfen im Nacken trat in den Saal. Er sah nur ein Leuchten und weiter nichts.

Die Saporoger fielen plötzlich sämtlich zu Boden und schrien wie aus einem Munde: »Gnade, Mutter, Gnade!« Der Schmied, der nichts mehr sah, streckte sich gleich den anderen eifrig auf dem Boden aus.

»Steht auf!« erklang über ihnen eine gebieterische, aber zugleich angenehme Stimme. Einige Höflinge taten sehr geschäftig und stießen die Saporoger an.

»Wir stehen nicht auf, Mutter! – Wir stehen nicht auf! Wir sterben lieber, aber wir stehen nicht auf!« riefen die Saporoger.

Potjomkin biß sich auf die Lippen. Schließlich trat er selbst zu ihnen und flüsterte dem einen Saporoger gebieterisch etwas zu. Die Saporoger erhoben sich.

Nun wagte es auch der Schmied, den Kopf zu heben, und er erblickte eine nicht sehr große, sogar etwas beleibte Frau mit gepudertem Haar, blauen Augen und mit jener majestätisch lächelnden Miene, die es so gut verstand, sich alles untertan zu machen, und die nur einer Herrscherin angehören konnte.

»Seine Durchlaucht hat mir versprochen, mich heute mit einem meiner Völker bekannt zu machen, das ich bisher noch nicht gesehen habe«, sagte die Dame mit den blauen Augen, indem sie die Saporoger neugierig musterte. »Seid ihr hier gut untergebracht?« fuhr sie fort und trat näher.

»Danke, Mutter! Der Proviant ist gut, obwohl die Hammel hier lange nicht so sind wie bei uns daheim – weshalb sollten wir nicht irgendwie leben können? . . .«

Potjomkin verzog das Gesicht, als er merkte, daß die Saporoger etwas ganz anderes sagten, als was er sie gelehrt hatte . . .

Einer der Saporoger trat nun mit stolzer Miene vor: »Wir bitten dich, Mutter! Womit hat dich dein treues Volk erzürnt? Haben wir es denn mit den heidnischen Tataren gehalten? Haben wir je Hand in Hand mit den Türken gehandelt? Haben wir dir mit einer Tat oder mit einem Gedanken die Treue gebrochen? Warum diese Ungnade? Erst hörten wir, daß du überall Festungen gegen uns bauen läßt; dann hörten wir, daß du aus uns Karabinerschützen machen lassen willst; jetzt hören wir von neuen Strafen. Was hat das Heer der Saporoger verbrochen? Vielleicht, daß es deine Armee über den Perekop geführt und deinen Generälen geholfen hat, die Tataren der Krim niederzumetzeln? . . .«

Potjomkin schwieg und putzte mit einem kleinen Bürstchen lässig die Brillanten, mit denen seine Finger besät waren.

»Was wollt ihr also?« fragte Katharina besorgt.

Die Saporoger sahen einander bedeutungsvoll an.

– Jetzt ist’s Zeit! Die Zarin fragt, was wir wollen! – sagte der Schmied zu sich selbst und stürzte plötzlich zu ihren Füßen nieder.

»Eure zarische Majestät, laßt mich nicht strafen, erweist mir Eure Gnade! Woraus, nehmt es mir nicht übel, sind die Schuhe gemacht, die Eure zarische Gnaden an den Füßen haben? Ich glaube, kein Schuster in keinem Lande der Welt versteht solche Schuhe zu machen. Mein Gott, wenn meine Frau solche Schuhe anziehen könnte!«

Die Kaiserin lachte. Auch die Höflinge fingen zu lachen an. Potjomkin blickte finster drein und lächelte zugleich. Die Saporoger begannen den Schmied an den Arm zu stoßen, denn sie glaubten, er sei verrückt geworden.

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Abendruhe nach dem Sturm am Rande der Sahara in Merzouga, Marokko

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