Hallo liebe Leser,
Jetzt gibt es mal eine etwas längere Geschichte, die euch über die Woche begleiten wird. “Der wahre Geist der Weihnacht” von Schriftsteller und Kolumnist Bernhard Straßer aus Traunstein beschreibt den Trubel und die Hektik unmittelbar vor dem Weihnachtsfest recht zutreffen.
Der wahre Geist der Weihnacht – Teil 1
Advent. Die stade Zeit. Während draußen die Schneeflocken gegen die Fenster stoben und drinnen zum Schein der Adventskerzen die Zithermelodien klangen, war ich schon fast am Durchdrehen. Ich hatte allein in der Adventszeit meine Kinder zu handgezählten 49 Terminen gefahren. Fußballtraining, Hallenturnier, Weihnachtsbasteln, Krippenspielprobe, Nikolausfeier, Adventsfeier, Weihnachtsfeier.
Und dazwischen musste ich auch noch dreimal wegen einer Wurzelbehandlung zum Zahnarzt. Ob es an den Plätzchen lag? Wobei, bei uns wird jedes Jahr am ersten Adventswochenende total euphorisch gebacken. Und danach nie wieder. Jedenfalls hatte ich zu viel Teig geschleckt. Oder auch zu viel gebrannte Mandeln oder Zuckerwatte gegessen. Und zu wenig Zähne geputzt. Jedenfalls folgten kurz darauf starke Zahnschmerzen. Höllische Zahnschmerzen, die der Zahnarzt, der es lustig findet, in der Adventszeit eine Nikolausmütze zu tragen, mit ein wenig Bohren sogar noch verstärkte.
Er setzte mir ein Provisorium ein, aber der Schmerz pochte tagelang weiter. Ein Schmerz, als würden Karius und Baktus höchstpersönlich mit einem Presslufthammer eine Tiefgarage in meine Kauleiste meißeln.
Der frühe Morgen des 24. Dezembers war einer der schönsten seit langem. Denn die Schmerzen waren tatsächlich weg. Es war ein Weihnachtswunder. Es würde das schönste Weihnachten aller Zeiten werden. Wenn ich bis dahin alle Erledigungen, die die letzten Wochen liegengeblieben waren, noch schaffen würde. Den Christbaum musste ich noch kaufen. Ein Geschenk für meine Frau wäre auch empfehlenswert. Und für das Weihnachtsessen musste ich ebenfalls noch einkaufen, ich hatte eine lange Einkaufsliste bekommen.
Aber da die Geschäfte ja selbst an Weihnachten bis Mittag offen hatten, dürfte das alles überhaupt kein Problem sein. Ich stand früh genug auf, die Kinder schliefen noch, und ich gönnte mir nach den Tagen des schmerzhaften Kauens ein gescheites Frühstück.
Als ich mit Heißhunger über die Semmeln von letzter Woche herfiel, leisteten diese überraschenden Widerstand. Ich biss auf etwas Hartes. Sofort spuckte ich den Semmelbrei aus und inspizierte dessen Inhalt. Ein Zahn, besser gesagt, das Provisorium kam zum Vorschein. Ich zuckte die Achseln. Ja mei, dachte ich. Hauptsache, es tut nicht mehr weh. Da mein Zahnarzt schon im Urlaub war, würde ich die Feiertage mit einem Zahn weniger schon verschmerzen.
Am Vormittag fuhr ich, wegen der Zahnlücke ein wenig angespannt, zum Baumarkt. Aber ich hatte Glück, es war noch wenig los und ich bekam mühelos einen Parkplatz. Weniger Glück hatte ich in der Weihnachtsbaumabteilung. Da standen noch drei magere Bäumchen, die ihre besten Tage schon lange hinter sich hatten und scheinbar schon seit Anfang der Adventszeit von den Kunden ignoriert wurden.
Als ich mich ein Stockwerk höher über Plastikweihnachtsbäume informierte – erfolglos – waren es unten nur noch zwei. Anscheinend waren die Menschen so kurz vor knapp derart verzweifelt, dass sie sogar die hässlichsten Weihnachtsbäume aller Zeiten kauften. Ich nahm den zweithässlichsten. Am Auto angekommen merkte ich, dass ich die Dachbefestigung vergessen hatte. Kein Problem, der Baum war klein genug, dass man ihn auf die Rückbank legen konnte. Allerdings nadelte er so, dass sich bald mehr Tannennadeln im Auto, als an den Zweigen befanden. Der Baum war definitiv nicht nach dem Mondkalender gefällt.