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11. Dezember 2023

Ssolocha schüttete die Kohlen aus einem andern Sack in den Zuber, und der nicht allzu umfangreiche Küster kroch hinein und setzte sich ganz auf den Boden, so daß man auf ihn noch einen halben Sack Kohlen hätte schütten können.

»Guten Tag, Ssolocha!« sagte Tschub, in die Stube tretend. »Du hast mich vielleicht nicht erwartet? Du hast mich doch wirklich nicht erwartet? Vielleicht habe ich gestört? . . .« fuhr Tschub fort und zeigte eine lustige und vielsagende Miene, an der man erkennen konnte, daß sein schwerfälliger Kopf sich bemühte und anschickte, einen recht spitzen und schlauen Witz loszulassen. »Vielleicht hast du dich hier schon mit jemand vergnügt? . . . Vielleicht hast du schon jemand versteckt, wie?« Entzückt über diese Bemerkung, lachte Tschub auf, innerlich darüber triumphierend, daß er allein die Gunst Ssolochas genieße. »Nun, Ssolocha, gib mir jetzt einen Schnaps. Ich glaube, mir ist die Kehle von dem verfluchten Frost eingefroren. Mußte auch Gott zu Weihnachten eine solche Nacht schicken! Wie der Schneesturm ausbrach . . . Ssolocha . . . Die Hände sind mir ganz erstarrt: ich bringe den Pelz gar nicht auf! Wie der Schneesturm ausbrach . . .«

»Mach auf!« ertönte von der Straße her eine Stimme, von einem Schlag gegen die Tür begleitet.

»Jemand klopft!« sagte Tschub und hielt plötzlich inne.

»Mach auf!« schrie die Stimme noch lauter.

»Das ist der Schmied!« sagte Tschub, nach seiner Kapuze greifend. »Hörst du, Ssolocha: versteck mich, wo du willst; ich will um nichts in der Welt dieser verfluchten Mißgeburt vor die Augen kommen, sollen diesem Teufelssohn unter den Augen Blasen wachsen, eine jede so groß wie ein Heuschober!«

Ssolocha, die gleichfalls erschrocken war, rannte wie verrückt umher und machte in ihrer Zerstreutheit Tschub ein Zeichen, er solle in den gleichen Sack hineinkriechen, in dem schon der Küster saß. Der arme Küster konnte nicht einmal durch Husten oder Ächzen seinen Schmerz zeigen, als sich der schwere Mann ihm fast auf den Kopf setzte und ihm seine hartgefrorenen Stiefel gegen die beiden Schläfen preßte.

Der Schmied trat ein und fiel fast, ohne ein Wort zu sagen und ohne die Mütze abzunehmen, auf eine Bank nieder. Man konnte ihm ansehen, daß er sehr schlechter Laune war.

Während Ssolocha die Tür hinter ihm schloß, klopfte schon wieder jemand. Das war der Kosak Swerbygus. Diesen könnte sie unmöglich in einem Sack verstecken, denn einen solchen Sack gibt es gar nicht. Er war dicker als selbst der Amtmann und länger als Tschubs Gevatter. Darum führte ihn Ssolocha in den Gemüsegarten, um dort von ihm alles zu hören, was er ihr sagen wollte.

Der Schmied blickte zerstreut in alle Ecken seiner Stube und horchte von Zeit zu Zeit auf die Koljadalieder, die über das ganze Dorf klangen; schließlich heftete er seinen Blick auf die Säcke.

»Warum liegen diese Säcke hier? Es ist längst Zeit, sie wegzuräumen. Wegen dieser dummen Liebe bin ich ganz närrisch geworden. Morgen ist Feiertag, und in der Stube liegt noch allerlei Kehricht herum. Ich will sie in die Schmiede tragen!«

Der Schmied hockte sich neben den großen Säcken hin, band sie fest zu und wollte sie auf seine Schultern heben. Aber seine Gedanken weilten offenbar ganz wo anders; sonst hätte er hören müssen, wie Tschub zischte, als er mit dem Strick, mit dem er den Sack zuband, auch sein Haar einklemmte, und wie der dicke Amtmann ziemlich laut aufschluckte.

– Will mir denn diese nichtsnutzige Oksana gar nicht aus dem Kopf? – sagte der Schmied zu sich selbst. – Ich will an sie gar nicht denken, und doch denke ich wie zum Trotz nur an sie. Warum kommt mir dieser Gedanke gegen meinen Willen immer wieder in den Sinn? Verdammt! Die Säcke scheinen schwerer geworden zu sein. Es liegt sicher auch etwas anderes drin außer der Kohle. Ein Narr bin ich! Ich habe ja ganz vergessen, daß mir jetzt alles schwerer vorkommt. Einst konnte ich mit einer Hand ein kupfernes Fünfkopekenstück oder ein Hufeisen zusammenbiegen und wieder geradebiegen, und jetzt kann ich nicht mehr einige Kohlensäcke heben. Bald wird mich noch der Wind umwerfen . . . Nein! – rief er, nach kurzem Besinnen, neuen Mut fassend. – Bin ich denn ein Weib! Ich werde niemand erlauben, über mich zu lachen! Und wenn es auch zehn solche Säcke sind, ich hebe alle auf! – Und er lud sich rüstig alle Säcke, die auch zwei starke Männer nicht hätten tragen können, auf die Schultern. – Ich nehme auch diesen mit –, fuhr er fort, den kleinsten Sack hebend, auf dessen Boden zusammengerollt der Teufel lag. – Ich glaube, ich habe darin mein Werkzeug liegen. – Mit diesen Worten verließ er die Stube, das Liedchen vor sich hinpfeifend:

»Laßt euch nicht mit Weibern ein . . .«

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Per Wüstenschiff durch die Sahara (Erg Chebbi), Marokko

1 thought on “11. Dezember 2023

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    Johann Rothfischer says:

    Mit Kamel oder Drohne, du kommst wirklich mit allen Flugapparaten und Reittieren zurecht

    Reply

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