23. Dezember 2024

Die gläserne Kugel – Teil 3

Als der Königssohn es an das große Gitterthor hielt, sprang es in der Tat krachend auf; ebenso öffnete es ihm die Türen zu elf Zimmern, in welchen er nichts Lebendiges antraf.

Jetzt hielt er den Stab an eine neue Tür; sie sprang auf, und er befand sich in einem großen Saale, in deren Mitte ein ganz kleines Haus stand. Bewacht wurde das Haus von vielen hundert Kriegsleuten, welche von der Hexe hier hergestellt waren; sie drangen ingrimmig auf ihn ein und wollten ihn aufspießen, da berührte er flink ihre Speere mit seinem Zauberstabe, und alle die gewaltigen Kriegsleute standen sogleich machtlos da wie nickende Kornähren und schliefen, und ein Kind hätte sie köpfen können.

Nun ging er in das Haus, und obgleich er nicht wusste, dass die bleiche Königin seine Mutter sei, fühlte er es doch beinahe, besonders als sie ihr Haupt weinend an seine Brust lehnte und sagte: “Ich danke dir; du hast mich von großem Leid erlöst!”

Eilig gingen sie durch die Reihen der schlafenden Soldaten und durch die übrigen Zimmer und trafen vor dem Thore den hilfreichen Zwerg an, der alles so wohl gemacht hatte. Als sie ihm nun danken wollten, besonders die Königin, antwortete er: “Lasst das sein; ich selber habe meine Freude daran.” Hierauf wandte er sich zu dem Prinzen und sagte: “Du hast ein Werk vollführen helfen, das ich aus Liebe zur Königin und aus Hass gegen die böse Hexe, meine alte Feindin, jahrelang vorbereitet habe; dafür wünsche dir, was du willst, es soll dir werden.” “So lasse meine Brüder wiederkommen!”, sagte der Prinz, und sie waren da. “Wünschest du dir weiter nichts?” fragte der Greis. “Ich danke”, versetzte der Königssohn. “So will ich ein Übriges tun”, murmelte der Zwerg. Und er ging mit ihnen zum König und sprach zu ihm: “Ich bringe dir deine edle Gemahlin und deine drei Söhne; die Kammerfrau ist eine trügerische Hexe und hat auch dich aufs schändlichste belogen und betrogen.”

Als sie nun eben noch beim Umarmen waren und ihrer Freude kein Maß zu finden wussten, kreischte es draußen, und die Hexe kam hereingestürzt und schrie, und die Haare flogen ihr nur so um den Kopf, und schrie: “Wer hat die Königin gestohlen und meine schmucken Jungen eingeschläfert?” “Ha, Untier”, sprach der Zwerg, “kennst du diesen Stab?” Sie wollte ihm denselben aus der Hand reißen; bei der ersten Berührung indes schlief sie ein, sank zu Boden, und der Zwerg zog ein Schwert und hieb ihr mit einem einzigen Schlage das hässliche Haupt von den Schultern.

Damit war er verschwunden. Nach einer Weile reichte der König seiner Gemahlin die Hand und bat um Verzeihung; “ich habe dir nie gegrollt”, versetzte sie, “ich wusste, du handeltest wider deinen Willen.” Nun wurde große Freude im Schloss und im ganzen Lande; die drei Prinzen holten sich auch jeder bald eine schöne Prinzessin zur Frau, und nach dem Tode des alten Königs erhielt der jüngste Sohn das Reich. So wünschten es auch seine Brüder.

Ende der Geschichte…