Hallo liebe Leser,
Heut und Morgen wird es etwas grotesk. Denn dies ist auch die von Sophie Reinheimer geschriebene Geschichte “Nikolause”. Sophie Reinheimer war eine deutsche Kinder- und Jugendliteraturschriftstellerin, die im Juli 1874 in Brüssel geboren wurde und am 9. Oktober 1935 in Hofheim am Taunus starb. Bei der Geschichte musste ich gleich an Tim Burton denken, dem Großmeister des grotesken Films, und habe mich bei der Erstellung von zur Geschichte passenden Bildern von ihm inspireiren lassen. Zugegeben: Wenn ich Nikolause backen sollte, sie würden wahrscheinlich genau so aussehen wie im Folgenden beschrieben und gezeigt.
Nikolause – Teil 1
Es war Niklausabend-Tag, und soeben hatte der Bäcker ein großes Kuchenblech voll frischgebackener Nikolause aus dem Ofen gezogen.
Die Augen standen ihnen – dass Gott erbarm! – so dick wie Froschaugen aus dem Kopfe heraus. Eine Nase hatte der Bäcker überhaupt für überflüssig gehalten – auch Ohren. Der Mund aber saß dem einen rechts – dem andern links, und hatte eine verzweifelte Ähnlichkeit mit den Westenknöpfen. Von den Armen und Beinen gar nicht zu reden! Was kümmerten die den Bäcker? Er hatte ja alle seine vier Glieder – und nicht zu knapp! Die Nikolause, die würde er auf alle Fälle verkaufen, ob sie nun wulstige oder spindeldürre Arme – gerade Beine oder nur zwei zugespitzte Klumpen hatten.
Zuerst waren nun die Frischgebackenen da eine Weile still. Sie mussten sich die Welt ringsum doch erst ein wenig ansehn. Da merkten die, die das Glück hatten, geradeaus sehn zu können, dass die Decke der Backstube lachte.
“Warum lachen Chie?” fragte einer, der einen bedauerlich schiefen Wund bekommen hatte. “Ach” – entschuldigte sich die Decke – “ich wunderte mich nur darüber, dass der Bäcker es in keinem Jahre fertig bringt, tadellose Nikolause zu backen.” “Tadelloch – wach choll dach heichen?” fragte der Nikolaus und rollte seine schwarzen Korinthenaugen.
Nun mischten sich auch die andern ein. “Ja – wollen Sie uns bitte eine Erklärung geben, was sie mit dem Worte “tadellos” gemeint haben?”
“Ach – ich meinte ja nur so – so – na ja: eben so, wie sich’s gehört. Arme und Beine hübsch regelmäßig geformt, der Mund in der Mitte und auch die Augen auf ihrem richtigen Platz. Aber es ist noch nie vorgekommen, dass der Bäcker solche Männer zustande gebracht hat. Der heilige Nikolaus wird sich bedanken für seine gebackenen Photographien!”
Inzwischen hatte der Bäckermeister sich daran gemacht, ein zweites Blech mit Teigmännern zu belegen. Sie fielen nicht besser aus. Im Gegenteil! Es war haarsträubend, was der Bäcker sich in seiner Schöpferlaune leistete! Klebten zwei Korinthen zusammen – “Da: hast de zwei Münder.”
“Es ist empörend!” rief der Tisch. “Ein Doppelmund! Aber der wäre dem schwatzhaften Bäcker selber sicher sehr angenehm. Dass ihm doch der heilige Nikolaus den eigenen Kopf so tief zwischen die Schultern steckte!” “Ja – und ihn recht kräftig an den Ohren zwickte,” grollte der Stuhl. “Dann würde er sich seiner Hörorgane vielleicht erinnern.” Am hitzigsten war aber der Backofen. “Die Augen sollte man ihm auskratzen und sie ihm hüben und drüben auf die Backen kleistern” – schrie er wütend. “Ein Skandal ist es! Und schließlich bleibt ja doch alles an mir hängen.”
Nun kam die Frau Bäckermeisterin mit einem Körbchen, stellte die Nikolause hinein und trug sie in das Schaufenster des Lädchens.
“Aah – aah – aah -,” kam es von allen Seiten, “die Herren Nikolause!” Gleich kam auch ein Trupp Schulbuben die Straße daher, drückte sich die Nase an den Scheiben platt, rief: “Nikkelees! Nikkelees!” und verschlang mit den Augen das ganze Körbchen.